25. Chile/Argentinien Der Norden 15.10-28.10

25. Chile/Argentinien Der Norden 15.10-28.10

Von ruckelnder Sandpiste in Bolivien auf perfekt neuen Asphalt 2000 Meter hinunter nach San Pedro de Atacama. Alles perfekt Beschriftet und sogar Notfallbremssteifen für Lastwagen. Der erste Eindruck von Chile könnte auch aus Europa stammen, man merkt sofort, hier ist wohl wieder ein ganzes Stück mehr Geld vorhanden. Doch wie zuhause sind auch die Regeln wieder einiges strikter, das spürten wir sogleich am Zoll. Viele Lebensmittel in rohem Zustand, vor allem Früchte, Gemüse und Fleisch sind verboten nach Chile einzuführen. So fing der Zöllner an, unseren kompletten Kühlschrank an sich zu nehmen, als dann die Cervelats an der Reihe waren wurde es Patrick zu bunt und eine aufbauschende Diskussion nahm seinen Lauf. Die Würste seien ja bereits vorgekocht und der in Bolivien gekaufte Apfel mit Herkunftskleber aus Chile habe doch nur Heimweh. Mit steigender Lautstärke und Intensität der Diskussion kamen weitere Zöllner hinzu, welche mit «Tranquillo» die Situation zu beruhigen versuchten. Nadine sah Patrick schon beinahe hinter schwedischen Gardinen als dann der Apfeldieb irgendwann fluchend und mit einem Sack voller Lebensmittel von dannen zog.
Lebensmittelkontrollen haben wir ja schon an einigen Grenzen oder Kontrollpunkten auf unserer Reise erlebt. Normalerweise sucht sich der Kontrolleur sein Mittagsmenu zusammen und gut ist, dass er jedoch den Wocheneinkauf für die ganze Sippe erledigt war für uns auch das erste Mal. Als wir dann noch Nachfragten ob es irgendeine Liste gibt was wo eingeführt werden darf, verneinte der Kontrolleur. Auch nach Gesprächen mit anderen Reisenden kann man keine genaue Aussage machen, sie variieren zwischen gar nix konfisziert, Honig und Kartoffeln weggenommen, was uns der Kontrolleur beides gelassen hat oder sogar konfisziertem Korkenzieher aus unbehandeltem Holz. Es ist wohl einfach Glückssache.
Noch saurer wurde Patrick als wir wenige Meter daneben problemlos unseren Früchtevorrat mit illegal eingewanderten ecuadorianischen Bannen und terroristisch veranlagten Avocados aus den Tropen wieder auffüllen konnten. Grrrr…

Genervt, wollten wir nur noch unsere Ruhe und sahen dabei sogar ab, dass der Campingplatz oder besser gesagt Parkplatz in San Pedro ganze 40 USD pro Nacht kostete. Im Nachhinein hätten wir das von Touristen überfüllte Dorf auch gleich auslassen können. Alles sauteuer und keine wirklichen Supermärkte um die restlichen Lebensmittel wieder aufzustocken.
Zusätzlich bieten die verschiedenen Canyons um die Stadt wesentlich schönere und ruhigere Übernachtungsplätze für Lau. Chile machte es uns nicht leicht.

Da bis zum Besuch in Norden von Argentinien noch beinahe zwei Wochen blieben, entschieden wir uns für eine kleine Rundreise durch die Atacama Wüste und einen Abstecher ans Meer.
So fuhren wir von San Pedro aus westwärts nach Calama und trafen dort auf einen alten Bekannten aus der USA. Im Walmart, der in Chile Lider heisst, füllten wir unsere Vorräte wieder auf. Sogleich machten wir auch mit dem Preisniveau in Chile Bekanntschaft, es könnte auch der Supermarkt in der Schweiz sein.
Calama ist bei Touristen vor allem für die volumenmässig grösste Kupfermine der Welt, Chuquicamata, bekannt. Da die Tour jedoch ausgebucht war, versuchen wir unser Glück nochmals auf dem Rückweg.

So fuhren wir weiter durch die trockenste Wüste der Welt bis wir plötzlich am Meer standen. Auf einer wunderbaren Küstenstrasse ging es hier nach Süden. Unglaublich wie an der Nordküste Chiles die Berge direkt ins Meer übergehen.

Bis nach Antofagasta fahren wir 200 Kilometer der Küste entlang, was für eine schöne Abwechslung nach so langer Zeit mal wieder am Meer zu übernachten. Leider ist die Küste in dieser Jahreszeit vielfach in Nebel gehüllt. So hätten wir La Portada, da Wahrzeichen von Antofagasta, besser am Abend vorher fotografiert.

Über das 500 Meter hohe Küstengebirge kämpften wir uns wieder in die Atacama Wüste hoch und besuchen die Mano del Desierto, eine Skulptur von Mario Irarrázabal.

Auf der Rückfahrt Richtung San Pedro de Atacama, treffen wir aus Zufall auf, Marteen einem Holländer, der mit dem gleichen Auto wie wir unterwegs ist. Kurzerhand verbringen wir die Nacht beschützt von einer Horde Hunden in der nahe gelegenen Geisterstadt und durchstreifen stundenlang die alten Gemäuer.

Am nächsten Tag versuchen wir nochmals einen Platz für die Tour zur Chuquicamata Mine zu bekommen. Diesmal sind nur wenige Leute anwesend und da wir Nummer eins und zwei auf der Warteliste sind, werden wir bewaffnet mit Helm und Leuchtweste zur Mine gefahren. Nach einem kurzen Halt in der zur Mine gehörenden Geisterstadt, welche 2007 aufgrund von Sicherheits- und Gesundheitsbedenken verlassen wurde ging es zur eigentlichen Attraktion, eines der grössten von Menschhand erbauten Löcher der Welt. Sehr eindrücklich anzusehen aber noch imposanter sind für Patrick natürlich die riesen Trucks, welche unglaubliche Materialmengen die Mine rauf schleppen. 360 Tonnen Zuladung, 5000 Liter Diesel Tank und einen Verbrauch von 3 Liter pro Minute. Da soll zuhause ein Umweltschützer nochmals behaupten unser Flizzer sei kein Kleinwagen.
Nach der Führung ging es mit zwei aufgeladenen Backpackern zurück nach San Pedro, hier wollten wir noch das Valle de la Luna anschauen bevor es dann definitiv über die Anden nach Argentinien geht.

Das Valle de la Luna punktet mit ihrer Mondoberfläche ähnelnden erodierten Landschaft, in welcher viele Überbleibsel der Dinosaurier gefunden wurde. Am letzten Aussichtpunkt sehen wir in der Weite plötzlich ein bekanntes Fahrzeug mit Basler Nummer. Myrta und Ueli welche wir das letzte Mal in Mexiko gesehen haben plus Trix und Sascha welche vor wenigen Wochen einen Toyota Bus übernommen haben. Natürlich haben wir uns gleich auf dem Camping in der Stadt verabredet und machten nach einem feinen Abendessen die Stadt unsicher. Erst kurz vor ein Uhr nachts kamen wir ins Bett, das gab es schon lange nicht mehr…

Am nächsten Morgen trennten sich unsere Wege und wir machten uns auf zum Sica Pass. Der Abstecher zur Lagunen Miscanti und Miniques liessen wir uns natürlich nicht nehmen, auch wenn diese nach der Lagunenroute in Bolivien wenig beindrucken konnten. Am nahen Piedras Rojas Salzsee gefiel es uns dann viel besser, trotz stürmischem Wind liessen wir uns hier für eine Nacht nieder.

Auf etwas über 4000 Metern findet man hier einen wunderbar modernen Grenzposten, kaum Leute und alle zuständigen Personen von beiden Ländern innerhalb von wenigen Metern. So kurz und schmerzlos ging ein Grenzwechsel noch fast nie über die Bühne, nicht einmal den Inhalt von Flizz interessierte hier die argentinischen Grenzbeamten. Diesmal hätten wir so gut aufgegessen gehabt.

Was sich jedoch auf argentinischer Seite auch schlagartig ändern sind die Strassenverhältnisse. Von perfektem Asphalt in Chile zu Wellenblech soweit das Auge reicht. Eigentlich wollten wir kurz nach der Grenze nach Süden abbiegen, da in unserem Kühlschrank und Gemüsefach jedoch gähnende Leere herrschte, mussten wir erstmal das nächste Dorf aufsuchen. Hier hiess es erstmal abwarten bis der Tante-Emma-Laden nach fünf Stunden Siesta kurz vor sechs seine Tore wieder öffnet. Die ausgedehnte Siesta in Argentinien von 13 bis beinahe 18 Uhr ist gewöhnungsbedürftig und als Reisender ab und an ein bisschen störend, wenn man etwas besorgen muss. Noch verrückter wird hier zu Abend gegessen, viele Restaurants öffnen ihre Tore um 20 Uhr und Abendbrot nach 22 Uhr ist eher die Regel als die Ausnahme. Gut haben wir einen eigenen Kocher dabei.
Als es dann endlich 18 Uhr war, stürmten wir beide in den kleinen Minimarkt. In diesem kleinen Bauerndorf kann man sicher sein Auto mal für 2 Minuten kaum 10 Meter Luftlinien von uns entfernt stehen lassen. Denkste, keine zehn Sekunden vom Auto weg, sah Nadine im Blickwinkel wie drei Jugendliche sich Richtung Flizz bewegten uns stürmte auf die Strasse. Als sie ums Eck kam, nörgelten die Drei schon an Flizzers Schloss rum. Nadines auftauchen liess sie jedoch in alle Himmelsrichtungen davon rennen.
Das Beste, der Sicherheitsmann welche die ganze Siesta Zeit auf der Treppe des Supermarkts den Laden beschützt, befand sich plötzlich am andern Ende des Dorfplatzes. Man lerne, nicht überall wo Sicherheit draufsteht ist Sicherheit drin. So behalten wir es wohl bei, dass gerade beim Einkauf immer einer von uns beiden bei Flizz bleibt.

Frisch auf munitioniert ging es auf einsamen Rumpelpisten 170 Kilometer Richtung Westen. Es gab viel zu sehen, diverse Salzpfannen, Lama Herden, kleinen Minen Dörfchen und das interessante Ojo del Mar. Eine handvoll Löcher von erloschenen Geysiren wurden hier mit glasklarem Regen gefüllt. Eigentlich perfekt ein Bad zu nehmen, wäre es nicht verboten.

Die Nacht verbrachten im Windschutz der Kirche in Caipe, einer Geisterstadt mit eigenem Bahnhof. Natürlich mussten diese am nächsten Morgen genauer untersuchen. Unglaublich, sogar eine ganze Menge an Rechnungen aus dem Jahre 1987 oder Dokumente der Güterwagon Bewegungen sind dank dem trockenen Wüstenklima noch problemlos zu lesen. Wir hatten zuhause jeweils bereits Probleme den einjährigen Garantie Kassenzettel zu entziffern.

Früher war das Dorf hier Ausgangpunkt für die Versorgung der 60 Kilometer weiter südlich liegenden Mina La Casualidad, welche wir als nächstes ansteuerten.
Was für ein riesiges Gelände, welches einmal bis zu 2000 Leute beheimatet hat. Von hier führte eine Transportseilbahn zur Mina Julia auf 5200 Meter, wo früher die Mineralien abgebaut wurde. Natürlich konnten wir der Versuchung nicht wiederstehen die Versorgungsstrasse zur Mine zu bewältigen. Das klappte beinahe, die ersten Schnee Überbleibsel konnten wir umfahren, dann war jedoch Schluss, die Zweite liess sich nicht umfahren. Den ersten Plan, den Schnee abzutragen, haben wir dann bald verworfen. Der übrigbleibende nasse, abschüssige Untergrund wäre dann wohl ein bisschen zu viel Risiko für unseren Flizz. Das Vorhaben hätten wir wohl besser im Herbst statt im Frühling in Angriff genommen, dennoch was für eine schöne abgelegene Fahrt durch die farbigen Berge.

Über spitze Lavasteine welche Flizz mal wieder ohne Platten überlebte erreichten wir nach 180 Kilometer unseren nächsten Schlafplatz am Salar de Arizaro mit Sicht auf den Cono de Arita, einen geometrisch perfekt geformten Kegelberg.

Am nächsten Mittag erreichten wir endlich Antofalla, ein Dorf mit ganzen 45 Einwohner und wir dachten das Abenteuer wäre jetzt mehr oder weniger zu Ende. Die über 4000 Meter hohe Passstrasse nach Antofogasta de la Sierra stellte Flizz nochmals vor ordentliche Herausforderung. So musste Nadine mit unserem 20 Liter Kanister Wasser in der Hand zwei Steile Stücke zu Fuss bewältigen, da Flizz mitten in der Steigung die Luft ausging. Mit ein paar Kilogramm weniger klappte es jedoch beides Mal. Nur der entgegenkommende Pickup muss wohl ziemlich komisch geschaut haben, als er mitten im Nichts Nadine den Berg rauf kämpfen sah.

Letzte Attraktion auf der Route war der Campo de Piedra Pomez, einen weiss versteinerten Lavastrom. Der Lavastrom war schön anzusehen, aber noch spanender fand Patrick den Toyota Hilux in der Nähe welche sich im Sekundentakt weiter und weiter in den Sand einbuddelte. So haben wir kurzerhand die Sandverhältnisse gecheckt und den Pickup mit dem Bergeseil aus seiner misslichen Lage befreit. Es zeigt uns wieder einmal mehr wie wichtig der Reifendruck abseits der befestigten Strasse ist. Unser Flizz mit 1.5 Bar in den Reifen schwebte über den Sand, während die vollgepumpten riesen Walzen des Pickups sich wie ein Stein im Wasser nach unten buddelten.

Nach weiteren Stunde fahren erreichten wir endlich die wunderbar geteerte Ruta 40, welche uns erstmal in den Norden nach Salta bringt und uns später bis nach Patagonien begleiten wird. Sechs Tage in denen wir gesamt 40 Stunden Auto fuhren um gerade mal 1300 Kilometer von San Pedro de Atacama in Chile bis hierhin hinter uns zu bringen. Salzseen, Lagunen, Geisterstädte und Einsamkeit aber auch verdammt anstrengende Tage über die unaufhörlichen Wellenblechpisten. Aber es hat sich gelohnt, die Route kann unserer Meinung nach locker mit der Lagunenroute in Bolivien mithalten, hat aber den Vorteil von wesentlich weniger Verkehr und Touristen, sobald man die viel besuchten Lagunen auf der chilenischen Seite des Paso Sico hinter sich gelassen hat.
Natürlich fährt bei uns auch immer der Nervenkitzel mit, schafft Flizz die nächste Steigung, bleiben wir irgendwo Stecken oder die Frage, wie kompliziert und teuer wohl eine Bergung werden würde, falls Flizz hier draussen wirklich mal etwas zustossen sollte.
Aber wie immer bringt er uns auch dieses Mal problemlos ans Ziel, ist schon unglaublich was der alte Herr alles kann. Patrick kann es manchmal kaum glauben das schon wieder nichts kaputt gegangen ist…
Kaum etwas wir unversucht gelassen und Patrick stoppt meistens erst, wenn wir schon irgendwo feststecken oder auf einen Felsen aufgefahren sind. So auch am nächsten Morgen als wir einen der vielen gratis Provincal Campingplätzen nahe heisser Quellen verlassen wollten. Schon den Abend zuvor ging die Anfahrt nur mit durchdrehend Rädern und ordentlich Schwung doch der Rückweg war noch um einiges schlimmer. Mit quietschenden Reifen steckte Flizz unten im Bachbett und ackerte alles um. Schnell wurde klar, es wird spannend und in den letzten 12 Stunden welche wir hier verbrachten kamen gerade mal zwei Fahrzeuge vorbei. So fingen wir an Kiste um Kiste den Berg rauf zu schleppen, um Flizz die Chance zu geben sich mit weniger Gewicht aus der misslichen Lage zu befreien. Welche ein Wunder kamen nur wenige Minuten später zwei Franzosen mit Geländewagen vorbei, welche Flizz mit dem Bergeseil aus dem Bachbett rissen. Wieder blieben nur eine paar Schrammen am Stein zurück und Flizz überstand die Aktion schadlos. So schnell ist der Ruhm des geborgenen Toyotas dahin…

Die letzte Strecke bis kurz vor Salta durchfuhren wir an einem Tag, diese Region werden wir später in umgekehrter Richtung mit Nadines Freundin Viola besuchen. Das üppige grün und die unzähligen Weingüter nach längerer Zeit in dürren Wüstengebieten gefiel uns jedoch schon auf Anhieb wunderbar. Seit langem trafen wir auch wiedermal auf einen richtigen See an dem wir unsere letzte Nacht vor dem Grossstadt Dschungel verbrachten.

Ein Gedanke zu „25. Chile/Argentinien Der Norden 15.10-28.10

  1. Hallo ihr beide
    Wilde, verlassene Gegend dort. Da kann man mit ganze Bahnhöfen spielen. Nur Flizz tut mir etwas leid. Und keine Leute weit und breit. Ist gut, kommt bald Schweizer Besuch.
    Gute Dronenfotos!
    Go on
    Pa

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert